Weckruf

Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis

von Pfarrerin Dr. Stefanie Sippel zu 1. Könige 17,1-16

Liebe Gemeinde!

Ein Roadtrip ist eine Rundreise mit dem Auto, bei der man über einen längeren Zeitraum täglich Etappen zurücklegt und erst morgens entscheidet, wohin es weitergeht. Sehr flexibel kann dann angehalten werden, wenn es etwas Bestimmtes zu erleben gibt oder wenn man mit Menschen verweilen möchte, die man kennenlernt. Da entfaltet sich eine Lust, spontan Planänderungen vorzunehmen. Die Kehrseite ist, dass etwas nicht rund läuft. Dass man ohne Bleibe für die Nacht auskommen muss oder am Schließtag vor dem Museum steht. Im Film ist der Roadtrip ein eigenes Genre. Das Publikum kann vom Kinosessel aus miterleben, wie einer in der Krise steckt, weil er alles verloren oder sich getrennt hat und wie es am Ende zu einer Auflösung oder Erkenntnis kommt. Es kann aus der sicheren Position heraus Landschaften bestaunen und ein Gefühl bekommen für den Einschnitt, der da passiert. Er kann entscheiden, was er annimmt von den Erfahrungen, die den Reisenden verändern. Dieser kommt nicht als derselbe zurück.

In der Bibel gibt es das auch, dass Menschen losgeschickt werden auf einen Weg, der zunächst unbestimmt ist, und den sie aus eigenem Antrieb nicht gegangen wären.

Auch hier besteht das Angebot, einzutauchen in die Geschichte und zu spüren, wie es ist, wenn die Erzählfigur aus Gottes Hand leben muss. Dann wird klar: Gott sorgt kurzfristig für mich. Er ist ein sicheres Netz über dem Abgrund. Gottes Wege sind nur scheinbar Umwege und können sogar aus der Sackgasse führen. Sie helfen auf, bringen neue Perspektiven und stillen den Hunger nach einem selbstbestimmten Leben.

Ich habe in diesem Monat hier in dieser Gemeinde eine neue Stelle angefangen, und ich ziehe gerade um. In den letzten Jahren war ich in der Gemeinde Alt-Pankow tätig. Sie liegt im Zentrum Pankows neben Rathaus und Einkaufspassagen. Eine Gemeinde mit einer bedeutenden Geschichte in der DDR-Friedensarbeit, mit Angeboten für alle Generationen und ein Ort mit schöner Kirchenmusik, weil dort so viele Künstler*innen wohnen. 

Und nun bin ich ganz schnell innerhalb eines Monates hierher gewechselt, um eine Stelle anzutreten, die befristet und reduziert ist. 

Ich fange von vorne an mit dem Kennenlernen der Menschen mit ihren Geschichten und Eigenheiten und der Mühe, sich die Abläufe am neuen Ort zu merken. Zuerst: welches ist der beste Ausgang aus der U-Bahn? Dann: Ich kriege die Kirche nicht abgeschlossen. Oder: Ich war noch nie in der Straße, in der ich einen Hausbesuch mache.

Aber es fühlt sich richtig an. Ich sehe einen Sinn darin.

Die Arbeit, die ich hatte, glich weniger einem Roadtrip als einem All inclusive-Angebot. Zwar war sie lehrreich und hat mich verändert, aber nicht in dem Sinne, wie ich es anstrebe. Alle Wege waren schon gegangen, und es war kein Platz für spontane Abstecher oder neue Wegbiegungen. 

Ich sehe Apostel Paulus als eine Citykirche mit einem Kiez, der Menschen anzieht, als eine Gemeinde, die wie ein Roadtrip sein könnte, weil sie das Versuchen noch nicht ausgegeben hat. Ich vertraue darauf, dass Gott mich hierher führt und hier begleitet. Dass es möglich sein wird, einen Weg gemeinsam zu gehen. 

Ich habe die Idee, dass sich das dann für mich persönlich bewährt als ein Schritt nach vorne. Auch ich habe diesen Hunger nach einem selbstbestimmten Leben vor Gott, in dem für mich gesorgt ist, und in dem ich vertrauen kann. 

Ich habe vorhin die Geschichte von Elia vorgelesen. Elia geht in Gottes Namen zu Ahab und kündigt eine Dürre an. Als Weckruf. Denn Ahab hat sich auf spirituelle Alternativen eingelassen und sich von Gott entfernt. Kurz gesagt: er hat Dinge getan, die ihm nicht guttun. Weil der König immer für das ganze Volk geradesteht, muss dieses auch unter der angekündigten Dürre leiden. Elia richtet es aus, er prescht voran. Das geht alles so nicht, dass die Ehefrau Ahabs, die Isebel, den Baal verehrt, der bei den Kanaanäern der Gott ist. Er greift ein und kommt sogar Gott zuvor. Dann wird er von Gott gerufen. Bekommt dann selbst den Auftrag, für eine Vertrauensübung an den Bach zu gehen. Essen und Trinken kommen aus göttlicher Hand. Sehr karg ist das, Regenwasser zu trinken und seine Nahrung von Aasfressern zu beziehen. Ist Elia vor dem König selbstbewusst oder hält er selbst sich an das, was er ansagt? Es geht weiter, als der Fluss dann doch austrocknet und Elia die Witwe um Essen bitten muss. Wie es mit dem dürstenden Volk weitergeht, wird nicht gesagt, aber die Witwe, die vertraut, wird entlohnt. Sie wird keinen Hunger mehr haben. 

Elia macht die Erfahrung, da kommt Versorgung für den, der seinen Weg geht. Und sei es auf eine absurde Weise.

Alle Orte der Rettung sind denkbar unmöglich. Die Raben, die das Essen bringen. Die Witwe, die vor Hunger fast stirbt, wird zur Rettung. Aber warum nicht?

Was hier geholfen hat, war deren Mut, etwas zu probieren. Wenn Elia sagt, die wird versorgt sein, dann backt sie ihm ein Brot aus dem letzten Mehl. Man muss alles versuchen, bevor man aufgibt. 

Was sich für die Witwe und die nächste Generation eröffnet, ist ein Brottopf, der niemals leer wird. Diese Frau hängt sich damit an das himmlische Brot des Gottes Israel, den sie durch Elia neu kennenlernt. 

Auch dieses ein schönes Bild für unseren Hunger nach einem selbstbestimmten Leben vor Gott.

Mit diesen Gedanken möchte ich noch einen Schritt weitergehen zu den Menschen, für die diese Wochen einen absoluten Ausnahmezustand bedeuten. Für alle in den Krisenregionen ist diese Zeit in gewisser Weise ebenfalls ein Roadtrip. Denn sie wissen nicht, wie sie die nächste Mahlzeit einnehmen werden oder welche Wäsche sie morgen anziehen. Menschen werden vermisst, Besitz ist vernichtet, an eine schnelle Rückkehr in einen geregelten Alltag ist nicht zu denken. 

Alles Menschen, die dachten, jetzt nach Corona, wird manches wieder besser und man kann mal in den Urlaub fahren. Besonders eindrücklich sind mir die Stapel von Wohnwagen gewesen. Oder Wohnwagen, die nur mit dem Kopf aus Flüssen ragen. Wenn ich überlege, wie lange meine Eltern gespart haben, bis sie das Geld für einen zusammen hatten.

Hier ist eine Katastrophe passiert, neben der meine Überlegungen zu spontanen Blickwechseln ziemlich dekadent daherkommen. 

Nein, diese Sorte Station möchte ich auf meinem Roadtrip durchs Leben nicht ansteuern.

Ich habe Mitgefühl und wünsche mir, dass so viel wie möglich Solidarität stattfinden wird. Es ist für alle diejenigen, die erschüttert aber nicht betroffen sind, die Möglichkeit zu sagen: ich habe Zeit und ich möchte hinfahren und mit aufbauen helfen.

Ich finde unsere Bibelgeschichte und meine Gedanken dazu passen auch zu diesem Ereignis.

Der Klimawandel poltert jetzt rein in unser Leben. Kann die Flutkatastrophe uns wachrütteln zum entschiedenen Loslegen?

Ich will es vergleichen mit dem, was letztes Jahr im März mit dem Virus passiert ist. Wir haben seitdem gelernt, wie leicht es ist, sich umzugewöhnen und zu verzichten. 

Bislang war es so, dass Menschen, die gewarnt haben, nicht ausreichend gehört worden sind. Wie Elia hat Greta gemahnt, vor Regen und vor Dürre. 

Gott hat uns die Erde überlassen, um hier zu leben und Fürsorge zu übernehmen. Auch das gehört zu unserem Lernweg dazu. 

Dass Klimaziele eingehalten werden, damit solche extremen Wetterbedingungen zumindest nicht mehr durch den Klimawandel ausgelöst werden. 

Warum alles, was zerstört ist, nicht klimagerecht neu aufbauen? So bauen, dass Häuser einer Flut besser standhalten. Auch die Werkstätten und Fabriken? Warum sollen sie nicht ökologischer wieder aufgebaut werden?

Denn wir alle haben einen Hunger nach einem selbstbestimmten Leben und hängen am himmlischen Brot. 

Wie Elia, die Witwe und deren Sohn haben wir keine andere Möglichkeit als uns Gott in die Arme zu werfen.

Sich viel sorgen und viel Richtiges tun. Aber auch: Anhalten und den Weckruf wahrnehmen und anders weitermachen. Nicht wissen, was das uns bringt und sich deshalb in Gottes Hände begeben, das verbindet uns mit den Menschen in der Katastrophe, das ist unser Weg.

Amen.

#lutherserbsen

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